Textatelier
BLOG vom: 19.12.2006

Rohkost gegen Magenbrennen. Aphorismen für Feste

Autor: Emil Baschnonga, London
 
Jetzt, wo die Party-Saison mit Trinkgelagen, vom Arbeitgeber gestiftet, verbunden mit Fressalien, Weihnachtsfeiern im Verwandtenkreis; Neujahrsfestivitäten usf. in voller Fahrt ist oder in Schwung kommt, habe ich einige meiner dazu passenden Aphorismen ausgegraben. Sie wurden nicht im Hinblick auf solche Feste geschrieben. Ich schiebe sie hier mit Anmerkungen ein, ohne moralistische Absichten, wiewohl solche da und dort durchschimmern mögen.
 
Wie immer – und ganz besonders in England – kommt es zu Auswüchsen und stolpernden Manieren. Manch einem festlich gestimmten Teilnehmer werden nachträglich solche Fehltritte angekreidet, die ihm bis weit ins neue Jahr nachlaufen.
*
Ausgetretene Fährten führen gewöhnlich zur Tränke.
Ein gefundenes Fressen schmeckt am besten.
Das Hirn ist bloss eine Fortsetzung des Darms: denkt immerfort ans Essen und Trinken.
 
Das Party-Ritual beginnt mit einer Stampede zum Alkoholausschank. Die Pubs und „Wine Bars“ sind vollgestopft. Wer schon widersteht einer Einladung zu einem reichbefrachteten Büffet?
*
Anstand steht an – und wartet noch immer …
 
Wer sich nicht mit Ellbögen zum Ausschank durchzwängt, bleibt immerhin nüchtern.
*
Wenn alle in einem Boot sind, ist es höchste Zeit zum Sprung über Bord.
Der Sonnenblumenkern hat es gut, so unter seinesgleichen.
 
Ich bin kein Sonnenblumenkern und hasse es, eingepfercht zu sein. Dann ist der Zeitpunkt gekommen, wenigstens für mich, das Weite zu suchen, sofern ich den Ausgang finde. Ist der Alkoholspiegel zu hoch, macht es Mühe, ihn zu finden.
*
Mit Messer und Gabel mitten im Tellerkampf ums Geflügel.
Was in der Kehle steckt, soll man nicht schlucken, sondern ausspucken.
 
Wichtig ist dabei, dass man den Schenkel einer Ente, Gans oder eines Truthahns erwischt. Schwupps, der tote, fettdurchsättigte Schenkel „verlebendigt" sich und landet gemäss „Murphy’s Law“ auf den Schenkeln der Sitznachbarin und versaut ihr bestes Kleid.
 
Manchmal bleiben eine Fischgräte oder der Knochenteil eines Geflügels im Hals stecken. Bitte nicht ersticken, selbst wenn keine Serviette zur Hand ist! Keiner springt dem Opfer bei und klopft ihm auf die Schultern. Alle schützen ihre Teller vor der Ausspucke. Schade, dass es keine Spucknäpfe mehr gibt.
*
Selbst der Teufel kostet von der Götterspeise.
Rohkost gegen Magenbrennen.
 
Nicht einer, sondern eine ganze Horde von Teufeln haben mir die besten Bissen weggeschnappt. Aber auch sie sind nicht gegen Magenbrennen gefeit. Ich habe kein Grünfutter für sie übrig gelassen!
*
Ein bisschen von allem wirkt auf die Zunge.
Frisch von der Leber gesprochen. Man roch es.
Im Bodensatz des Zorns findet sich viel Wahrgehalt.
Wessen Magen knurrt, dessen Mund bissig wird.
 
Ein bisschen zu viel getrunken, enthemmt die Zunge. Alte Familienfehden entflammen erneut über die segensreiche Weihnachtszeit. Rasch ein Dessert zwischen den Streithähnen herumreichen, denn mit einem voll gestopften Mund bleibt vieles ungesagt.
*
Die Scham wird dann peinlich, wenn man sie ablegen will.
Die kostbarste Perlenkette hebt keinen erschlafften Busen.
 
Solche Busen werden heute mit Botox hochgepäppelt und schamlos präsentiert. Festlichkeiten wiegeln leicht das weibliche Geschlecht zu solchen Preisgaben auf. Jede will die andere übertrumpfen … Die Männer sollen ja nicht glauben, dass solche Böllerkugeln ihnen gelten. Doch gibt es viele Dummköpfe, die schamlos zugreifen. Sie werden ihre Fehlgriffe bereuen.
*
Jeder schale Witz kitzelt sein Gaumenzäpfchen. Ich möchte einen finden, der daran wie an einem Glockenstrang zieht.
 
Zu viele Witzbolde verderben den Spass.
*
Er hielt Einkehr und bewirtete sich fürstlich.
Der Einsame findet Platz, indem er von allen abrückt; der Gesellige, indem er allen auf dem Schoss sitzt.
Mit der Liebe ist gut kochen. Mit der Freundschaft gut essen. Allein verdaut sich am besten.
Und hob den Kelch und trank ihn leer, ganz in sich gekehrt.
 
Tröstliches für jene (Wenigen), die am Rummel nicht mithalten wollen.
*
Ein armer Tropf guckte in seinen leeren Topf und stülpte ihn über seinen Kopf. Das soll ihm ein Prasser nachmachen.
 
Wer – ausser der Heilsarmee – denkt an die vielen armen Tröpfe über die gnadenbringende Weihnachtszeit?
 
Hinweis auf weitere Aphorismen von Emil Baschnonga
 
Hinweis auf weitere Blogs von Baschnonga Emil
Juni-Aphorismen
Mai-Aphorismen
April-Aphorismen
Der Träumer
Der vermeintliche Obdachlose
März-Aphorismen
Februar-Aphorismen
Januar-Aphorismen
Dezember-Aphorismen
November-Aphorismen
Oktober-Aphorismen
September-Aphorismen
Die verlorene Handtasche
August-Aphorismen
Juni-Aphorismen